Wenn man mit über 50 ein Studium beginnt, bekommt man nicht nur neugierige Blicke, sondern gelegentlich auch die Frage: „Warum tust du dir das an?“ Die kurze Antwort: Weil ich es kann. Die ehrliche Antwort: Ich wollte wissen, ob ich es noch kann.
Nach 25 Jahren Berufsalltag, in dem mein Kopf für ganz andere Dinge beansprucht wurde – Verkaufszahlen, Kundengespräche, strategische Entscheidungen – war die Rückkehr in die Welt der Fachliteratur, Skripte und Prüfungsordnungen… sagen wir: sportlich. Dinge, die mir früher leichtfielen – z. B. Texte überfliegen und sofort Zusammenhänge erkennen – fühlen sich heute an, als müsste ich einen Berg mit Hausschuhen besteigen. Und das am Montagmorgen, … ohne Kaffee.
Besonders herausfordernd ist die Kombination aus Studium, Vollzeitjob und einem Rest von Privatleben, das sich nur noch in Randzeiten wie Samstag/Sonntag 6:00 Uhr oder Dienstag nach 22 Uhr abspielt. Freizeit? Die gibt’s – aber sie hat ein schlechtes Gewissen, wenn sie sich blicken lässt.

Trotzdem: Ich bin froh, dass ich diesen Schritt gegangen bin. Nicht, weil mir langweilig war, sondern weil ich gespürt habe, dass es noch Entwicklungspotenzial gibt. Studieren hält nicht nur den Kopf wach, sondern auch den Geist offen. Ich nehme Inhalte heute anders auf – nicht mehr so langsam wie am Anfang meines Studiums, ich gerne erfasse ich die Tiefe eines Themas. Was ich lerne, ordnet sich sofort in die Praxis ein. Theorie trifft Lebenserfahrung – das ist keine schlechte Mischung.
Manches ist anstrengender als früher, ja. Aber ich bin nicht mehr getrieben von Notendruck oder Konkurrenzdenken. Ich lerne aus Neugier, aus Freude an der Sache – und weil ich mir selbst noch etwas beweisen möchte. (Und ich mag den Kontakt zu meinen Mitstudierenden)
Verlorene Zeit? Im Gegenteil. Es ist ein Geschenk, sich auch mit 50+ noch einmal neu zu fordern. Und wenn ich dabei gelegentlich mit dem alten Taschenrechner kämpfe, dann eben mit Würde.