ACHTUNG: LEICHTE, NICHT GANZ ERNSTGEMEINTE IRONIE.
Es gibt Orte, an denen die Menschheit beweist, wie weit sie technisch gekommen ist. Wir fliegen mit 900 Stundenkilometern durch die Stratosphäre, während uns ein Getränkewagen mit Limonade versorgt. Bitte beachten Sie hier im Besonderen die Flugzeugtoiletten – das perfekte und spannende Gesellschaftsspiel beim Fliegen. Schon der Anblick der metallenen Tür löst Panik aus. Ein leises „occupied“ leuchtet rot auf, und du weißt: Es könnte dauern. Denn vor dir stehen sieben Menschen, die alle so tun, als wollten sie sich „nur kurz die Beine vertreten“. In Wahrheit allerdings: Sie starren gebannt auf das kleine rote Lämpchen – den heiligen Gral des Bordleidens.
Endlich bist du dran. Die Tür schließt sich, und du befindest dich in einem Raum, der kleiner ist als die durchschnittliche Hundebox im Tierheim. Du drehst dich – und bleibst mit der Schulter an der Wand hängen. Du atmest aus – und stößt mit der Stirn an den Spiegel. Willkommen im Zen des Minimalismus. Die Luft ist ein Cocktail aus Desinfektionsmittel, Chemietoilette und menschlicher Verzweiflung. Der Ventilator im Hintergrund klingt wie ein sterbender Föhn. Überall blinkt etwas. Eine winzige Lampe, ein kryptisches Schild, das dich freundlich darauf hinweist, dass Rauchen auch hier verboten ist – als ob jemand ernsthaft in diesem Druckkabinenklo mit Feuerzeug und Glimmstängeln hantieren würde.

Dann das eigentliche Kunststück: Die Benutzung. Wer immer dieses Design erfunden hat, hatte bestimmt bei dem Design richtig Spaß. Du sitzt da, in einer Haltung, die irgendwo zwischen Yoga, Origami und Lebenskrise liegt, und fragst dich, ob der Pilot mitfühlt, bei dem was du da tust. Das Geräusch der Spülung – dieses berüchtigte, infernalische WUUUUSCHHHHHHHH – klingt, als würde dich das Flugzeug gleich mit-einsaugen. Für einen kurzen Moment zweifelst du an den Gesetzen der Physik. Und du bist sicher: Wenn dich ein Ahnenforscher so hier finden würde, sähe es aus, als hätte ein Orkan dich bei lebendigem Leib gefaltet und wieder entwurschtelt. Natürlich hast du Publikum. Denn was die meisten vergessen: Diese Türen sind nicht schalldicht. Während du also versuchst, möglichst diskret zu bleiben, steht draußen eine mäßig-geduldige Menschenschlange, die jedes Geräusch liebevoll mit einem Applaus kommentiert. Da ist sie: Die pure, menschliche Peinlichkeit auf knapp 10.000 Metern Höhe.
Nach der Tat folgt die Waschszene: Der Wasserhahn spuckt auf Knopfdruck exakt 1,378 Sekunden kaltes Wasser aus. Dieses landet wie beim Billiard über die Hand auf einem Teil deiner Kleidung. Danach siehst du nur die feuchte Seife, die aussieht, als sei sie seit in den 1920ern für das Militär bereits im Einsatz. Ein Papierhandtuch? Ein halbes Blatt. Maximum. Vielleicht …und du Glück hast. Du betrachtest dich im Spiegel. Das Licht ist so grell, dass du aussiehst wie eine Mischung aus „Nerd aus dem Keller“ und einem „langjährigen Beamten“. Du fragst dich, wie du in diesem desolatem Zustand je aus dieser Kabine treten sollst – wohlwissend, dass alle draußen exakt wissen, was du in dieser Kabine gemacht hast. Dann der Rückweg zum Sitzplatz. Du gehst den Gang entlang wie ein Superheld, der eine Mission überlebt hat. Die Leute schauen dich an (… oder zumindest bildest du dir das ein!). Jeder wird in den nächsten Minuten dasselbe Schicksal erleiden. Diese Gewissheit kann dich nicht wirklich vor der Schamesröte bewahren.
Flugzeugtoiletten sind ein Gleichmacher. Hier ist die Gleichstellung von allen sichtbar. Hier gibt es keine Business-Class, keine Statuspunkte, keine Privilegien. Nur Menschen, die sich in ein Miniatur-Örtchen zwängen, um einen Teil der Menschlichkeit der Natur zurück zugeben. Wenn man ehrlich ist – das ist irgendwie schräg oder auch schön. Ein Symbol globaler Verbundenheit: Egal, ob CEO oder Backpacker, ob Vielflieger oder Urlauber – jeder endet irgendwann zwangsläufig in dieser fliegenden Sardinenbüchse mit „Wusch“ als Spülgeräusch. Vielleicht ist genau das die wahre Definition von Menschlichkeit: Gemeinsam schwitzen, gefaltet werden und Non-konfessionell-beten, auf dass das Vakuum uns verschonen möge.

Flugzeugtoiletten sind kein Ort. Sie sind eine Prüfung. Eine spirituelle Erfahrung. Eine Mischung aus Survivaltraining, Beichtstuhl und Kabarett. Wer sie überlebt, hat das Recht, alles zu hinterfragen – sogar den Sinn des Lebens. Sein oder nicht sein….